Gefährdungshaftung

Grundsätzlich besteht eine Ersatzpflicht für Schäden, die einem anderen zugefügt werden, nur wenn ein Verschulden des Schädigers vorliegt. Unter Verschulden versteht man die Beurteilung der Verantwortlichkeit des Schädigers für sein normwidriges Verhalten im Sinne der Vorwerfbarkeit. Das Verschulden kann auf Vorsatz aber auch auf Fahrlässigkeit beruhen. In bestimmten Fällen, wie bei der Gefährdungshaftung, wird jedoch auch ohne schuldhaftes Handeln eine Schadensersatzpflicht ausgelöst. Dies ist der Fall, wenn bei bestimmten gefährlichen Verhaltensweisen oder bei Betreiben einer Anlagen auch ohne Verschulden für verursachte Schäden Schadenersatz zu leisten ist. Kennzeichnend für die Gefährdungshaftung ist also, dass der Haftende auch ohne Verschulden für den Schaden verantwortlich ist.

Die Gefährdungshaftung beruht auf der Überlegung, dass derjenige, der zu seinen Nutzen regelmäßig einen gefährlichen Betrieb eröffnet und unterhält, auch die Schäden tragen soll, die in Verwirklichung dieses Risikos typischerweise bei anderen eintreten und von diesen nicht verhindert werden können [BGH 95, 132; Palandt, Heinrichs, §278 Rn.1; Palandt, Sprau, vor §823 Rn 6]. Die Schadensersatzpflicht entsteht also bereits, wenn sich das typische Risiko der Sache verwirklicht hat. Da die Gefährdungshaftung nur solche Schäden erfassen soll, die aus Rechtsgutsverletzungen aus der Verwirklichung des Gefahren- und Risikopotentials resultieren, bleiben Schäden außer Betracht, die nicht die spezifische Gefahr der Handlung an sich betreffen (Bsp. höhere Gewalt in § 7 II StVG) [BGHZ 29, 163; Caemmerer, Reform der Gefährdungshaftung, 1971, S. 15].

Abzugrenzen ist die Gefährdungshaftung von zwei weiteren wichtigen Haftungstatbeständen, dem vermuteten Verschulden und der Haftung für fremdes Verschulden. Bei der Haftung für vermutetes Verschulden, kommt es lediglich zu einer Beweislastumkehr, so dass der Geschädigte von der Pflicht befreit wird ein Verschulden des Schädigers nachzuweisen [Palandt, Heinrichs, § 281 Rn. 16]. Hingegen hat sich der Inanspruchgenommene bei der Haftung für fremdes Verschulden zwar rechtmäßig verhalten, ihm wird jedoch das Verschulden eines Dritten zugerechnet [BGH 62, 124; Palandt, Heinrichs, § 278 Rn. 1].

Die wichtigsten Tatbestände für Gefährdungshaftung bestehen für den Betrieb von Kraftfahrzeugen (§ 7 StvG), für Gefährdung durch Produkte (§ 1 ProdHaftG), für die Haltung von Luxustieren (§ 833 BGB) und für den Betrieb von Anlagen (§ 1 UmweltHG). Ohne solche gesetzlichen Grundlagen gibt es weder im Privatrecht noch im öffentlichen Recht eine allgemeine Gefährdungshaftung, da die Gefährdungshaftung im Gesetz nicht konkret geregelt ist [BGH 55, 229; Palandt, Sprau, vor §823 Rn 6].

Von besonderer praktischer Relevanz ist die Haftung des Herstellers eines Produktes. Nach dem Produkthaftungsgesetz haftet der Produzent für durch ein fehlerhaftes Produkt entstandene Schäden auch ohne Verschulden. Er haftet somit auch für Ausreißer, für die er nach der Ersatzpflicht wegen unerlaubter Handlungen (§ 823 BGB), nicht schadensersatzpflichtig wäre [OLG Oldenburg Az: 8 U 301/04].
Ebenso bedeutsam ist die Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die sich aus dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges ergeben. Der Fahrzeughalter haftet dabei für sämtliche Gefahren, die bei Betrieb des Fahrzeuges entstehen, aber auch für solche die von einem Fahrzeug ausgehen, welches im öffentlichen Verkehrsraum auf verkehrsbeeinflussende Weise ruht [BGHZ 29, 163].

Die Ersatzpflicht ist jedoch gesetzlich begrenzt wurden. So liegt der Haftungshöchstbetrag bei einem Personenschaden bei einem Kapitalbetrag von 600.000 Euro bzw. einem Rentenbetrag von jährlich 36.000 Euro (§ 12 StVG). Auch im Produkthaftungsgesetz wurden Haftungsgrenzen verankert (§ 10 I ProdHaftG). So haftet der Ersatzpflichtige bei Personenschäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt entstanden sind, nur bis zu einem Höchstbetrag von 85 Millionen Euro. Im Falle von Sachschäden hat gemäß § 11 ProdHaftG der Geschädigte einen Schaden bis zu einer Höhe von 500 Euro selbst zu tragen.


Zuletzt aktualisiert am 2015-05-20 von Werner Hess.

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